Die Ibiza-Affäre hat auch die Zahlungen von Großspendern an die ÖVP ins Zentrum gerückt: 13 Millionen Euro ließ sich die ÖVP den Wahlkampf für Sebastian Kurz kosten. Gesetzlich erlaubt sind 7 Millionen – die ÖVP hat die Obergrenze damit um sechs Millionen Euro überschritten. Die Schulden der Partei wurden auf über 5 Millionen geschätzt. Spenden hat Kurz offiziell 2,1 Millionen erhalten. Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage: Woher kam das restliche Geld? Hat die ÖVP wirklich alle Wahlkampfspenden offengelegt?
Sieben Millionen Euro schreibt das Parteiengesetz als Höchstsumme für Wahlkampfausgaben vor. Mit diesen sieben Millionen kann man „eine gut sichtbare Kampagne finanzieren. Falls man davon ausgehen kann, dass sich auch die Konkurrenzparteien an dieses Limit halten“, erklärt der Parteienfinanzierungs-Experte Hubert Sickinger. Diese Grenze soll verhindern, dass sich Parteien von Großspendern Mega-Kampagnen finanzieren lassen und sich quasi Stimmen erkaufen.
Diese Grenze hat Sebastian Kurz’ im Wahlkampf 2017 um fast das Doppelte überschritten. Schon vor der Wahl stellen sich viele die Frage, ob eine derart teure Kampagne nicht die Kostenbeschränkung von sieben Millionen übersteigen muss. Doch Kurz beteuert stets:
„Wir halten uns an alle Regelungen, die es derzeit gibt.“ So auch noch 3 Wochen vor der Wahl bei einer Pressekonferenz am 27. September 2017.
Kurz muss schon damals gewusst haben, dass das nicht stimmt.
Es stellt sich die Frage, woher die 13 Millionen Euro für den Wahlkampf kamen. Offiziell hat die ÖVP nur 2,1 Millionen Euro an Wahlkampfspenden erhalten – darunter Großspenden aus der Immobilien-Branche und jene von KTM-Chef Stefan Pierer. Die reichen aber bei weitem nicht aus.
Der Bundes-ÖVP selbst geht es finanziell schlecht: Ihr wurden 2017 fünf Millionen Euro Schulden zugeschrieben. Sie kann den kostspieligen Wahlkampf also nicht selbst finanziert haben. Die Parteienförderung der Bundes-ÖVP für 2017 betrug 7 Millionen Euro.
Es gibt Hinweise, dass Kurz mehr Spenden gesammelt haben könnte als die ÖVP öffentlich ausgewiesen hat. Nach seiner Wahl zum Parteiobmann im Mai gab es sogar die Vermutung, Kurz plane seinen fast vollständig mit Wahlkampfspenden von außen zu finanzieren – ohne auf Ressourcen der verschuldeten ÖVP zurzückzugreifen. Immerhin hat Kurz laut Profil (Nr. 20/2017) schon vor seiner Wahl zum ÖVP-Obmann begonnen Spenden zu sammeln.
In einem Strategiepapier vor der Wahl hat das Team von Kurz eine umfangreiche Namenslisten mit möglichen Großspendern erstellt. Einige von ihnen scheinen in der offiziellen Spenderliste auf: Etwa der KTM-Chef Stefan Pierer (er unterstützte die Kurz-Kampagne mit mehr als 400.000 Euro).
Darauf findet sich aber auch ein Name, den Strache im Ibiza-Video nennt: René Benko.
Rene Benko, der die ÖVP und uns zahlt…einer der größten Immobilienmakler Österreichs“, sagt Strache im Juli 2017.
Offiziell tauch Benko in keiner ÖVP-Spenderliste auf. Aber kein ÖVP-Vertreter wollte seit dem Ibiza-Video verneinen, dass die ÖVP Spenden von René Benko erhalten habe.
Was generell auffällt: Zahlreiche finanzstarke Sympathisanten von Sebastian Kurz tauchen in keiner der Wahlkampfspenden-Listen auf. So etwa die Adlerrunde – eine Gruppe von Tiroler Unternehmen, die offen für Sebastian Kurz auftrat. Einen Tag nach der Obmann-Wahl von Kurz unterstützte ihn die Adlerrunde mit einem ganzseitigen Inserat in der Tiroler Tageszeitung.
Im Wahlkampf forderten diese Tiroler Wirtschaftstreibenden, dass künftig „zwölf Stunden pro Tag“ und „60 Stunden pro Woche“ gearbeitet werden darf. Ihre Forderung hat die Regierung erfüllt. Offiziell werden aber nur drei der 42 Unternehmer der Adlerrunde als Spender gelistet.
Und auch andere finanzstarke Männer haben sich für Kurz stark gemacht, ohne offiziell auch nur einen Cent überwiesen zu haben.
Niki Lauda hat sich etwa per Videobotschaft für Kurz eingesetzt. Offiziell hat der Millionär nie etwas gespendet. Didi Mateschitz hat sich in mehreren Interviews für Kurz ausgesprochen. Er ist der reichste Österreicher, sein Vermögen beläuft sich auf fast 20 Milliarden Euro. Offiziell gab es keinen Cent für Kurz von Mateschitz. Vom millionenschweren Manager Siegfried Wolf kam offiziell ebenfalls kein Euro für den Kurz-Wahlkampf. Dabei wurde Wolf im Frühjahr 2017 immer wieder als Unterstützer genannt.
Wolf und Mateschitz befinden sich ebenso wie Rene Benko auf der Liste für Sponsoren, die Sebastian Kurz und seine engsten Vertrauten vor der Wahl für sich gewinnen wollten.
Möglich ist, dass Geld nicht an die Bundes-ÖVP, sondern direkt an Kandidaten aus den Ländern geflossen ist. Dazu passt der aufwändige Wahlkampf des zurückgetretenen Tiroler ÖVP-Abgeordneten und Kurz-Vertrauten Dominik Schrott. Die Kosten dafür werden auf über 100.000 Euro geschätzt. Als er 24.000 Euro Landesförderungen zurückzahlen muss, weil ihm illegale Wahlkampffinanzierung vorgeworfen wird, übernimmt diesen Betrag ein anonymer Investor.
Und dann hat sich die ÖVP noch 31 sogenannte „Freiwilligenbüros“ geleistet – zusätzlich zu den regulären Partei-Büros und stets in Top-Lage. In fast jedem Wahlkreis. In Wien etwa in der Schottenbastei im 1. Wiener Gemeindebezirk.
Diese Adresse teilte sich das ÖVP-Wahlkampfbüro mit einem offiziellen Kurz-Spender: Der Chalupa Immobilienverwaltung. Die Wahlkampfspenden des Geschäftsführers Michael Chalupa haben offiziell 6.000 Euro betragen. Ob dazu noch ein Freundschafts-Deal für die Miete des Lokals in Top-Lage kommt, ist noch unklar. Ebenso wie die Frage, ob die ÖVP für ihre Wahlkampf-Büros an anderen Standorten in bester Lage marktübliche Preise zahlen musste oder so indirekt von der Immobilien-Branche weitere Spenden erhielt.
So hatte die ÖVP scheinbar auch in Wels ein Wahlkampf-Büro in einem Haus, das Robert Hartlauer gehört. Hartlauer plant in Wels eine größere Immobilienentwicklung – da schadet ein guter Draht zu dem Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) und dem Planungsstadtrat Peter Lehner (ÖVP) nicht. Hartlauer scheint nicht auf der offiziellen Spendenliste der ÖVP auf. Er dürfte aber seine Freude mit der schwarz-blauen Politik haben. So forderte Hartlauer 2013 gar einen 15-Stunden-Arbeitstag und die Abschaffung von Kollektivverträgen.
Quelle https://kontrast.at/wahlkampfspenden-oevp-kurz/
Explodierende Wahlkampfkosten