Muss das AMS intelligent und zielführend agieren? Nein, meint das AMS. Wir können tun und lassen, was wir wollen. Und wenn sich einer aufpudelt, streichen wir ihm die Notstandshilfe…
Herr K., seit einigen Jahren arbeitslos, wurde vom AMS einer „Kursmaßnahme“ zugewiesen, wie es im unerträglichen Bürokratendeutsch heißt. Im Juli 2013 sollte er bei der nicht sehr gut angeschriebenen Firma Trendwerk … na ja … also er sollte einen Kurs machen, in dem Bewerbungsunterlagen erstellt und Kommunikationstrainings durchgeführt werden, wie es heißt. Und außerdem sollte er dort auch über die Möglichkeit der Beschäftigung in einem Transitprojekt informiert werden. Zum Euphemismus „Transitprojekt“ gäbe es einiges zu sagen, aber darum geht es in diesem Beitrag gar nicht. Haargenau denselben „Kurs“ beim selben „Institut“ (aber an einem anderen Kursstandort) hatte Herr K. nämlich bereits im November 2012 absolviert … ohne übrigens in ein Transitprojekt übernommen zu werden.
Als er den ersten Termin der Kursmaßnahme besuchte,fragte Herr K., ob es denn möglich sei, direkt in das Transitprojekt aufgenommenzu werden, da er doch den dazu nötigen Kurs erst kürzlich absolviert habe. Dies sei unmöglich, wurde ihm beschieden, worauf sich Herr K. wieder verabschiedete: Warum sollte er denselben Kurs ein zweites Mal machen?
Wer Erfahrungen mit dem AMS hat, weiß nun: Herrn K. wurde vom AMS der Bezug für sechs Wochen gesperrt.
Die durchaus skurrile Begründung: Er hätte „den Erfolg, (sic!) einer von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesenen Wiedereingliederungsmaßnahme … vereitelt.“
Oder kurz zusammengefasst: Herr K. wurde zum wiederholten Mal zu einem völlig sinnlosen Kurs geschickt. Sein Vorschlag, direkt in das Transitprojekt zu wechseln, wurde abgelehnt. In der Folge wurde sein Bezug gesperrt und ihm damit die Existenzgrundlage für sechs Wochen geraubt.
Gegen die Sperre hat Herr K. berufen. Entscheidung ist noch keine ergangen.
Jetzt wirds richtig schräg: Genaugenommen ist Herr K. vollkommen im Recht. Das AMS darf ihn – dazu gibt es zahlreiche Entscheide des Verwaltungsgerichtshofes – nicht dazu zwingen, vollkommen sinnlose Dinge zu tun. Das Handeln des AMS muss sinnvoll und zielführend sein. Und nachdem er den zugewiesenen Kurs bereits absolviert hat, war diese Zuweisung in jeder Hinsicht sinnlos (wobei auch das folgende Transitprojekt nichts anderes ist als sinnloses und kontraproduktives Herumsitzen, aber das ist – wie gesagt – eine andere Geschichte).
Das AMS wiederum steht auf dem Standpunkt, dass es völlig egal ist, ob der zugewiesene Kurs sinnvoll ist oder nicht, da Herr K. als Langzeitarbeitsloser gefälligst zu tun habe, was ihm aufgetragen wird. Bei Langzeitarbeitslosen sei nämlich jede Maßnahme zur Wiedereingliederung grundsätzlich sinnvoll. Auch dazu gibt es ein Erkenntnis des VwGH.
Die beiden Erkenntnisse stehen nicht grundsätzlich im Widerspruch zu einander: Der VwGH hatte sich ja beim zweiten Erkenntnis nicht mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob die wiederholte Zuweisung zu ein- und derselben Maßnahme sinnvoll ist oder nicht. So aber sieht es das AMS – und hat damit recht schlechte Karten für das Verfahren, das beim VwGH demnächst anhängig sein wird: Ist es wirklich so, dass jemand jeden ökonomisch wie arbeitsmarktpolitischen Unsinn mitmachen muss, nur weil er länger als ein Jahr arbeitslos ist?
Die Verantwortung für diese absurde Entwicklung liegt einerseits beim AMS, das stets die eigenen Verwaltungsabläufe in den Vordergrund stellt und nicht den sinnvollen und zweckmäßigen Einsatz der Mittel oder gar das berufliche Integrationsinteresse der arbeitslosen Menschen; andererseits aber auch bei der Regierungspolitik, die sich seit Jahren weigert, das Arbeitslosenversicherungsgesetz so klar zu fassen, dass es dem AMS auch möglich ist, rechtsstaatlich einwandfreie Entscheidungen zu treffen.
Herr K. konnte zwar vorbringen, dass er den Kurs bereits kürzlich besucht hatte und es doch nicht zielführend sei, dasselbe noch einmal zu tun, das AMS musste aber nicht auf dieses Vorbringen eingehen oder es gar bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Im Arbeitslosenversicherungsgesetz ist das nämlich nicht vorgesehen. Und so kommt es, dass Herr K. rein rechtlich gar keine Möglichkeit hatte, im Verfahren vor der Leistungseinstellung seine Argumente bzw. Vorschlag rechtswirksam vorzubringen. Er muss nun vielmehr warten, bis ein Berufungsentscheid ergangen ist, und diesen dann beim VwGH bekämpfen. Und dort wird dann sehr wahrscheinlich herauskommen, dass Herrn K.s Notstandshilfe zu Unrecht eingestellt wurde, weil er eben nicht zu einer offenkundig völlig sinnlosen Handlung gezwungen werden darf… … in einigen Jahren dann.
Der einzige Ausweg: Das Arbeitslosenversicherungsgesetz muss deutlich verändert werden. Auch arbeitslose Menschen müssen im Verfahren vor dem AMS die Möglichkeit finden, ihre Rechte rechtswirksam einzufordern und durchzusetzen. Es kann nicht so sein, dass Herr K. erst sechs Wochen ohne Einkommen dahinvegetieren muss, ehe ihm nach Jahren vor Gericht Recht gegeben wird…
Oder anders: Das Arbeitslosenversicherungsgesetz verhöhnt geradezu Begriffe wie Rechtsstaat, Rechtsschutz oder Rechtssicherheit. Das muss sich ändern!
Karl Öllinger: Das AMS hat Ihren Notstandshilfebezug gesperrt, weil Sie angeblich den Erfolg einer Wiedereingliederungs-
maßnahme vereitelt haben sollen. Was ist da geschehen?
Herr K.: Ich habe im November 2012 eine vom AMS zugeteilte Wiedereingliederungsmaßnahme bei TRENDWERK besucht. Das war ein mehrwöchiger sogenannter Vorbereitungskurs mit der anschließenden Möglichkeit, einen befristeten Transitarbeitsplatz zu bekommen. Ich habe damals einen Dienstvertrag als Transitarbeiter unterschrieben, der von TRENDWERK noch vor Antritt des Dienstverhältnisses einseitig aufgelöst wurde. Im Juni 2013 wurde ich vom AMS wieder zum selben Kurs bei TRENDWERK zugeteilt. Ich bin am ersten Kurstag hingegangen, um mich zu informieren, ob es sich tatsächlich um exakt denselben Kurs handelt wie im Oktober 2012. Das haben die mir bestätigt. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich diesen Kurs schon einmal gemacht hätte und gefragt, ob es möglich wäre, sofort einen Dienstvertrag als Transitarbeiter zu unterschreiben. Das wurde abgelehnt. Da ich keinen Sinn darin gesehen habe, innerhalb von wenigen Monaten denselben Kurs noch einmal zu absolvieren, habe ich die Teilnahme an dieser Maßnahme abgelehnt. Ich habe das AMS noch am selben Tag über die berechtigten Gründe für meine Ablehnung informiert. Daraufhin wurde mir vom AMS die Notstandshilfe für sechs Wochen gestrichen.
Karl Öllinger: Hat jemals irgendwer auf Ihr vorbringen, dass Sie den selben Kurs ja bereits kürzlich gemacht haben, reagiert?
Herr K.: Bei der Zuteilung hat die Beraterin meinen Einwand, dass ich diesen Kurs bereits kürzlich gemacht habe, völlig ignoriert und sich geweigert, meine diesbezügliche Aussage in der Niederschrift zu vermerken. Ich habe daraufhin meine Einwände zu dieser Niederschrift per Einschreibebrief dem AMS vorgebracht. Vom AMS wurde darauf aber niemals reagiert.
Karl Öllinger: Ist irgendwer auf Ihren Vorschlag, doch direkt in das Transitprojekt zu wechseln, eingegangen?
Herr K.: Als mir bei TRENDWERK von den beiden „Trainern“ bestätigt wurde, dass es sich um exakt dieselbe Maßnahme handeln würde und ich vorgeschlagen habe, sofort in das Transitprojekt zu wechseln, wurde ich an die zuständige Projektleiterin verwiesen. Diese hat mir aber mitgeteilt, dass dies unmöglich wäre. Ich müsste vor einer Übernahme in das Transitprojekt wieder den mehrwöchigen Vorbereitungskurs absolvieren. Vom AMS wurde mein diesbezüglicher Vorschlag völlig ignoriert.
Karl Öllinger: Was erwarten Sie Sich in Zukunft vom AMS und der Politik?
Herr K.: Ich „erwarte“ mir weniger vom AMS und der Politik, ich „wünsche“ mir vielmehr einige sinnvolle Änderungen an der bisherigen Praxis. Ich wünsche mir, dass das AMS aufhört, hunderttausende Arbeitslose in die immer gleichen und völlig sinnlosen vom AMS in Riesenpaketen eingekauften Kurse zu stecken. Die kosten Millionen Euro und haben nur den Sinn, die Arbeitslosenstatistik zu fälschen. Ich wünsche mir, dass statt diesen Sinnlos-Kursen arbeitslose Personen individuell gefördert werden und ihnen eine tatsächliche Verbesserung ihrer Qualifikation ermöglicht wird. Ich habe selbst über Jahre hinweg mehrfach um eine für mich sinnvolle Förderung angesucht, die meinen Wiedereinstieg ins Berufsleben leicht möglich gemacht hätte, da dies auf dem Arbeitsmarkt gesucht wird. Vom AMS wurde mir diese Förderung aber immer verwehrt, obwohl die Kosten dafür sehr gering gewesen wären im Vergleich zu den Kosten für die immer wieder gleichen Kurse, zu denen ich praktisch „zwangsverpflichtet“ wurde. Von der Politik wünsche ich mir, dass das Arbeitslosenversicherungsgesetz dahingehend geändert wird, dass man als Arbeitsloser überhaupt eine Chance hat, Einwände gegen Entscheidungen des AMS vorzubringen und diese auch berücksichtigt werden müssen, bevor es zu einer Sperre von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe kommt. Dies wäre auch die Pflicht eines demokratischen Rechtsstaats! Von der Politik wünsche ich mir überhaupt, dass sie ihre Versprechen einhält. Von einer Regierungspartei, die in Vorwahlzeiten auf Plakaten von sich selbst behauptet, sich für „Jobs von denen man leben kann“ einzusetzen, erwarte ich, dass sie die unerträgliche Praxis der Zuteilung von arbeitsuchenden Personen zu Transitprojekten bei sozialökonomischen Betrieben einstellt. Vom AMS und der Politik erwarte ich mir, dass arbeitslose Personen nicht pauschal als arbeitsscheues Gesindel abgestempelt und menschenunwürdig behandelt werden.
Quelle https://oellingersozial.wordpress.com/2013/09/19/sinnlose-ams-kurse-wer-aufmuckt-kriegt-kein-geld/