Ein IT-Experte und die Datenschutz-NGO epicenter.works sehen erhebliche Mängel bei „Österreich testet“: Über das System, das den Apotheken zum Eintragen der Tests dient, sollen monatelang nicht nur Ergebnisse der eigenen Kunden, sondern sämtliche österreichische Testergebnisse und zugehörige persönliche Daten abrufbar gewesen sein. Das Ministerium weist Kritik zurück, der Experte verlor seinen Job.
Der Entdecker der Schwachstelle wollte eigentlich für eine Apotheke ein einfacheres Eingabesystem für Tests programmieren. Gegenüber dem Konsumentenschutzmagazin „konkret“ sagte der Programmierer, dass ihm dabei aufgefallen sei, dass mit einer kleinen Änderung nicht nur – wie vorgesehen – die Tests der eigenen Filiale, sondern sämtliche Tests der vergangenen sieben Tage in Österreich abrufbar gewesen seien.
Laut epicenter.works gehe es um Millionen Datensätze: Name, Adresse, Sozialversicherungsnummer, Telefonnummer, E-Mail und CoV-Testergebnis konnten über das System abgerufen werden. Auf dieses haben Apotheken aus dem ganzen Land Zugriff – und damit mehrere tausend Menschen.
Der Entwickler meldete die Schwachstelle dem Gesundheitsministerium und teilte diese auch dem ORF mit. Das Ministerium reagierte laut dem Entwickler erst nicht – nur auf Nachfrage von „konkret“ kam eine Reaktion: Die Apotheke wurde aus dem System von „Österreich testet“ verbannt, der Entwickler gesperrt – die Apotheke beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit ihm.
Das Ministerium weist sämtliche Kritik zurück: „Die Einhaltung aller datenschutzrechtlichen Verpflichtungen“ sei „ein besonderes Anliegen“. Auf Anfrage von „konkret“ sieht man kein Sicherheitsproblem: Es handle sich „weder um einen Fehler im System von ‚Österreich testet‘ noch um eine ‚Datensicherheitslücke‘“, heißt es.
Stattdessen sieht man eine „eine widerrechtliche Verwendung interner Dokumentationssysteme“. Die Apotheken seien der „alleinige Datenschutzverantwortliche“ im Rahmen der Testungen, daher sei die Zuständigkeit des Ministeriums „nicht gegeben“.
Gleichzeitig räumte das Ministerium von Wolfgang Mückstein (Grüne) aber auch ein, dass in den vergangenen Wochen „entsprechende Anpassungen vorgenommen“ wurden, „um die internen Dokumentationssysteme noch besser gegen eine etwaige widerrechtliche Verwendung einzelner Teststellen zu schützen“. Unklar ist, ob es einen widerrechtlichen Zugriff auf die Daten gab.
Thomas Lohninger, Geschäftsführer der Datenschutz-NGO epicenter.works, kritisierte das Vorgehen des Ministeriums. Der Entwickler habe sich „absolut richtig“ verhalten – statt Dankbarkeit habe die Reaktion des Ministeriums dazu geführt, dass der Mann seinen Job verloren habe. Er forderte eine Entschuldigung Mücksteins bei dem Mann – und eine Erhöhung der IT-Kompetenz in dem Ministerium.
Das „Österreich testet“-Portal wird von der A1-Tochter World Direct im Auftrag des Ministeriums betrieben. Die Erstellung des Portals kostet rund eine halbe Million Euro, fast 200.000 Euro pro Monat kostet der laufende Betrieb, hieß es vor rund einem Jahr in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung.
A1 verwies auf Anfrage von „konkret“ auf das Ministerium – man habe aber „bereits im Dezember das Portal eingehend überprüft“. Die Apotheke müsse selbst dafür sorgen, „dass von ihr als Teil des Systems keine Manipulationsversuche unternommen werden“, heißt es von dem Unternehmen. Auf eine Anfrage von ORF.at bei der Datenschutzbehörde hieß es, dass bereits mehrere Verfahren im Zusammenhang mit „Österreich testet“ laufen – zum konkreten Fall konnte man keine Angaben machen.
Quelle: https://oesterreich.orf.at
"oesterreich-testet.at funktionierte so wie ein Bankomat, bei dem man zwar eine Bankomatkarte und einen PIN Code braucht, aber dann Geld von beliebigen Konten abheben könnte. Die Erklärung des Ministeriums ist in dem Beispiel so zu verstehen, als ob man auf die Kameras des Bankomaten und bestehende Gesetze verweist, die Missbrauch hätten verhindern können. Ich verstehe nicht, wie eine so triviale Sicherheitslücke so lange niemandem aufgefallen ist", so Thomas Lohninger Geschäftsführer von epicenter.works.
Kein IT-System ist perfekt und es gibt immer die Gefahr von Sicherheitslücken. Aus diesem Grund gibt es das etablierte Prinzip von "responisble disclosure", nach dem gefundene Sicherheitslücken den Verantwortlichen gemeldet werden, die dankbar für diese Hilfestellung zur Verbesserung ihres Systems sein sollten. Erst nachdem die Lücke geschlossen ist, sollten Informationen darüber an die Öffentlichkeit gelangen. Das Wissen um Sicherheitslücken ist viel Geld wert. Neben dem Ausnutzen der Lücke für Identitätsdiebstahl, Datenhandel oder Erpressung, kann auch das Wissen um die Sicherheitslücke selbst verkauft werden. Herr S. hat sich in dieser Situation absolut richtig verhalten, indem er den Verantwortlichen sofort Bescheid gegeben hat. Anstatt sich dafür zu bedanken, hat das Gesundheitsministerium dafür gesorgt, dass er seinen Job verliert.
"Gesundheitsminister Mückstein sollte sich bei Herrn Gökhan S. entschuldigen und schleunigst die IT-Kompetenz in seinem Haus steigern, bevor das Vertrauen der Bevölkerung restlos verloren geht", so Lohninger.